Leader Lars: Ein KI Chatbot als Parteivorsitzender
Wie funktioniert ein KI Chatbot?
Chatbots kennen wir alle aus dem Kundensupport. Sie sind im Grunde textbasierte Dialogsysteme und arbeiten auf Basis einfacher Abfragen, meistens mit dem Ziel, Informationen bereitzustellen. Ein KI Chatbot ist allerdings mehr als ein simpler Algorithmus, um Fragen zuordnen und entsprechende Antworten zu liefern.
Als Künstliche Intelligenz (kurz KI oder auch AI genannt) nutzt die Spracherkennungssoftware eine besondere KI-Technologie: Das Machine Learning. Das befähigt den KI Bot, Informationen zu sammeln und eigenständig auszuwerten. Auf diese Weise können KI-Systeme zum Beispiel auch in der Logistik, im Verkehrswesen oder in kreativen Bereichen eingesetzt werden.
Ein KI Chatbot ist befähigt, Dinge zu lernen, Rückschlüsse zu ziehen und eventuell selbst Regeln für die Kommunikation zu erstellen. Die Informationen werden in riesigen Datenbanken bereitgestellt. Je mehr Informationen eine KI zur Verfügung hat, desto mehr kann sie lernen. Deswegen sind moderne KI-Systeme in der Regel so konzipiert, dass fortlaufend mit Daten gefüttert werden.
Mithilfe der NLU-Technologie (Natural Language Understanding) kann die KI möglichst viele Variationen von Formulierungen zuordnen. Auf diese Weise ist ein KI Chatbot in der Lage, verschieden formulierte Anfragen verstehen. Theoretisch ist es auch möglich, dass die künstliche Intelligenz die Antwort in puncto Syntax und Duktus dem Stil der Person anpasst, welche die Frage gestellt hat. Das verbessert ihre Chancen der KI, besser von ihrem Gegenüber verstanden zu werden. Außerdem sorgt eine möglichst niedrige Sprachbarriere auch dafür, dass die fragende Person die Antwort positiver bewertet.
Wo werden Chatbots eingesetzt?
Klassische Chatbots sind mittlerweile im Großteil des Kundensupports von größeren Unternehmen, Dienstleistern und Behörden zu finden. Sie beantworten nicht nur schriftliche Anfragen. Als Voice Bots kommen sie auch immer häufiger bei Kundenanfragen via Telefon zum Einsatz. Das gelingt mithilfe einer Erweiterung der KI-Technologie, die gesprochene Worte in Text umwandelt, den die KI „verstehen“ kann. Auch Sprachassistenten wie Siri und Alexa sind AI Chatbots.
Leader Lars: Ein KI Chatbot in der Politik
Laut einem Bericht des Internet-Blogs Motherboard ist Leader Lars ein KI Chatbot, der speziell für den Bereich Politik geschult wurde. Gefüttert haben die Dänen rund um Synthetic-Party-Gründer Asker Staunaes die KI mit Daten des politischen Geschehens seit 1970. Im Fokus standen dabei die politischen Ziele und Ansichten von Randparteien, die es nie in das dänische Parlament geschafft haben. Laut Staunaes repräsentiert der KI Chatbot vor allem Menschen aus Randgruppen, die selbst nicht wählen gehen.
Da die Künstliche Intelligenz durch Daten verschiedener Parteien geschult wurde, hat Leader Lars selbst keine strikte politische Agenda. Seine Meinungen zu diversen politischen Themen sind größtenteils inkohärent und können sich gegenseitig widersprechen. Parteigründer Staunaes äußerte XMotherboard gegenüber, dass er diesen Zustand als Chance sieht, „unsere Vorstellungskraft über das, was möglich ist, zu erweitern“. Er wies darauf hin, dass Machine Learning nicht das „Prinzip der Widerspruchsfreiheit aufrechterhalten könnte, wie es in der traditionellen Logik möglich ist.“
Dass sich ein KI Chatbot widersprüchlich äußert, ist also nichts Ungewöhnliches. Das beweist auch der Fall des Chatprogramms BlenderBot3, das vom Unternehmen Meta (zu dem u.a. Facebook gehört) diesjährig öffentlich getestet wurde. Der KI Chatbot sollte Gespräche simulieren und Antworten auf Nutzerfragen geben. Grundlage seines Wissensstandes war u.a. der Input, den er durch den Austausch mit den Nutzern erhalten hat. Infolgedessen entwickelte die KI sowohl aufgeklärte Ansichten als auch rassistische Tendenzen.
Wie du mit dem KI Chatbot kommunizieren kannst
Auch die Datenbanken vom KI Chatbot Leader Lars werden beständig durch die Interaktionen mit Menschen gespeist. Reglementierungen gibt es dabei nicht. Über die Chatplattform Discord können Menschen aus jedem Land der Welt mit Leader Lars kommunizieren. Der KI Chatbot kann die Sprachen Dänisch und Englisch verstehen. Antworten kann die KI jedoch nur auf Dänisch. Um eine Unterhaltung mit dem Bot zu beginnen, muss lediglich ein Ausrufezeichen in die Chatzeile eingetragen werden.
Dass sämtliche politische Ansichten von Leader Lars auch politisch korrekt sind, darf bezweifelt werden. Die künstliche Intelligenz hat kein Gewissen und keine eigenen Wertvorstellungen. Sie trifft ihre Entscheidungen auf der Basis von Logik und kann dadurch auch schwerlich die Massen an Input durch die User filtern. Die politische Meinung der KI hängt also stark von den Meinungen der Nutzer ab, die mit ihr kommunizieren.
Was sind die Ziele der Chatbot-Partei?
So inkohärent die Aussagen von Leader Lars auch sind, einen Punkt hat der KI Chatbot scheinbar unumstößlich auf der Agenda: Ein monatliches Grundeinkommen von sage und schreibe 100.000 Kronen. Umgerechnet sind das mehr als 13.400 Euro. Mit diesem Grundeinkommen will die KI laut eigener Aussage „Armut und Ungleichheit […] verringern und allen ein Sicherheitsnetz bieten“.
Für die Mitglieder der Synthetic Party geht es jedoch um mehr. Sie möchten die 17 Entwicklungsziele (SDGs) der Vereinten Nationen um ein 18. Ziel erweitern: Der Punkt „Leben mit Künstlicher Intelligenz“ soll die Beziehung zwischen Mensch und KI definieren. Ziel ist es u.a., Menschen für den Umgang mit Künstlicher Intelligenz zu sensibilisieren. Das betrifft sowohl den positiven Nutzen als auch die Schattenseiten in Form von Vorurteilen und Diskriminierungen seitens der KI.
Um einen Diskurs zum Thema Mensch und Maschine in Gang zu bringen, muss die Synthetic Party es allerdings erst einmal ins dänische Parlament schaffen. Als KI Chatbot kann Leader Lars zwar kein politisches Mandat erhalten, den Parteivorsitz hat er allerdings dennoch inne. Die Besetzung von Ämtern wäre dann den menschlichen Mitgliedern der Partei vorbehalten. Allerdings sind für einen Parlamentsbeitritt bei den diesjährigen Wahlen 20.000 Unterschriften nötig. Von dieser Zahl sind der KI Chatbot und seine synthetische Partei noch meilenweit entfernt.
Psychologie und KI-Technologie
Spielt vom psychologischen Standpunkt aus gesehen auch der Frankenstein-Mythos eine Rolle, wenn Entwickler und Entwicklerinnen einen KI Chatbot programmieren? In Mary Shelleys Roman beugt Viktor Frankenstein die Naturgesetze. Er setzt sich über ethische und moralische Grundsätze hinweg, getrieben von dem Willen, ein Geschöpf mit den eigenen Händen zu erschaffen. Sicher steckt hinter dieser Manie zum Teil auch der Urinstinkt des Menschen, sich fortzupflanzen. Nicht wenige Eltern kennen das innere Bestreben danach, einen Menschen zu formen. Aus ihm vielleicht eine bessere Version des eigenen Selbst zu kreieren.
Was hat das aber mit AI Chatbots zu tun? Eine künstliche Intelligenz ist lernfähig. Wie sie sich entwickelt und welche datenbasierten Entscheidungen sie trifft, hängt von Ihrer Programmierung ab und vor allem von den Informationen, die sie erhält. Kinder hingegen entwickeln ihre Persönlichkeit auch in hohem Maße entsprechend ihrem genetischen Erbgut. Das behaupten zumindest Forschende aus den Bereichen Psychologie und Medizin. So ist zum Beispiel der englische Psychologe und Autor Robert Plomin der Meinung, dass Eltern die charakterliche Entwicklung ihrer Kinder kaum beeinflussen können. In einem Interview mit dem Geo-Magazin gab er an, dass mindestens 50 Prozent aller Eigenschaften bereits genetisch vorprogrammiert seien. Seine Theorie stützt er u.a. auf Studien mit Adoptivkindern, die mehr Gemeinsamkeiten mit ihren leiblichen Eltern aufweisen als mit ihren Adoptiveltern.
Daraus ließe sich schlussfolgern, dass Eltern die Entwicklung ihrer Kinder durch die Erziehung weitaus weniger beeinflussen können als allgemein angenommen. Das kann auf der einen Seite eine Entlastung sein für Eltern, die sich zum Beispiel an der Krankheit ihres Kindes, an seinen Ernährungsgewohnheiten oder an seinen schlechten Schulleistungen die Schuld geben. Auf der anderen Seite bedeutet das aber auch: Eltern haben eine geringere Chance, den Charakter ihres Kindes zu formen. Eine KI hingegen besitzt kein genetisches Erbe. Sie ist ein unbeschriebenes Blatt. Ihre Schöpfer können ihre Entwicklung lenken. Hat ein KI Chatbot schlechte Eigenschaften, sind das Bugs, die sich fixen lassen.
Mit dem großen Einfluss, den Entwickler auf ihre digitale Schöpfung haben, wächst auch die Verantwortung. Vor allem dann, wenn der Chatbot durch einen nicht reglementierten Input seitens der Gesellschaft geformt wird. Dabei besteht immer das Risiko, dass Meinungen ungefiltert übernommen werden. Egal, ob eine KI Chatbot für eine politische Partei arbeitet oder in der Privatwirtschaft Kunden betreut: Ohne moralische und ethische Leitlinien kann das schwerlich zu einem guten Ergebnis führen. Letztendlich ist ein KI Chatbot nämlich vor allem eines: ein Spiegel der Gesellschaft.