Vorratsdatenspeicherung: Deutschland nicht EU-konform
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Was versteht man unter Vorratsdatenspeicherung?
Vorratsdatenspeicherung ist ein Thema, das in Deutschland in den letzten Jahren viel Aufmerksamkeit erregt hat. Doch was genau ist darunter zu verstehen? Die Vorratsdatenspeicherung beschreibt per Definition eine Praxis, bei der Telekommunikationsunternehmen und Internetdienstanbieter verpflichtet werden, bestimmte Daten ihrer Kunden fĂŒr einen festgelegten Zeitraum zu speichern.
Die Idee hinter der Vorratsdatenspeicherung-Verordnung ist es, Strafverfolgungsbehörden den Zugriff auf diese Daten zu ermöglichen, wenn diese fĂŒr Ermittlungen benötigt werden. Dies kann besonders nĂŒtzlich sein, wenn es darum geht, schwere Verbrechen aufzuklĂ€ren oder terroristische AktivitĂ€ten zu verhindern. Allerdings gibt es auch Bedenken hinsichtlich der Datenschutzrichtlinien und der PrivatsphĂ€re der BĂŒrger.
Vorratsdatenspeicherung in Deutschland nicht zum ersten Mal verfassungswidrig
In Deutschland hat die Vorratsdatenspeicherung per Gesetz eine wechselvolle Geschichte. Sie wurde erstmals 2007 im Gesetzbuch verankert. Bereits 2010 allerdings die der Vorratsdatenspeicherung zugrunde liegende Verordnung vom Bundesverfassungsgericht fĂŒr unzulĂ€ssig erklĂ€rt mit der BegrĂŒndung, sie sei verfassungswidrig. Nach einigen Anpassungen wurde das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung in Deutschland 2015 erneut eingefĂŒhrt, aber 2016 vom EuropĂ€ischen Gerichtshof (EuGH) gekippt. VorstöĂe zu einer Ănderung blieben bis dato fruchtlos.
Welche Gesetze und Verordnungen regeln die Vorratsdatenspeicherung in Deutschland?
Die Vorratsdatenspeicherung wird aktuell vom Telekommunikationsgesetz (TKG) gestĂŒtzt. Dieses Gesetz bildet die Grundlage fĂŒr die Speicherung von Telekommunikationsdaten. Es legt fest, welche Daten von Telekommunikationsanbietern gespeichert werden mĂŒssen und fĂŒr welchen Zeitraum.
ZusĂ€tzlich gibt es die âVerordnung zur Vorratsdatenspeicherungâ, die detailliertere Regelungen zur Umsetzung der Speicherpflichten enthĂ€lt. Sie legt beispielsweise technische und organisatorische Anforderungen an die Datenspeicherung fest und regelt die Zugriffsrechte von Sicherheitsbehörden.
Bestandteile der Vorratsdatenspeicherung waren laut Gesetz bisher unter anderem:
- Speicherung der Telekommunikationsverkehrsdaten ihrer Kunden durch Provider fĂŒr die Dauer von zehn Wochen
- Speichern von Rufnummern beteiligter AnschlĂŒsse
- Speichern von Beginn und Ende der Verbindung oder Internetnutzung
- Aufzeichnung der Zeitpunkte des Versendens und Empfangens von Kurznachrichten
- Speicherung von Internetprotokoll-Adressen und Benutzerkennungen
- Speichern von Standortdaten fĂŒr einen Zeitraum von vier Wochen
Was ist die Kritik an der Vorratsdatenspeicherung in Deutschland?
Die Vorratsdatenspeicherung in Deutschland steht in der Kritik. Und das praktisch seit ihrer EinfĂŒhrung. WĂ€hrend BefĂŒrworter die Notwendigkeit der Vorratsdatenspeicherung bei der Strafverfolgung schwerer Verbrechen und terroristischer AktivitĂ€ten betonen, gibt es divers datenschutzrechtlichen Bedenken bis hin zu grundlegenden Fragen der VerhĂ€ltnismĂ€Ăigkeit.
Eingriff in die PrivatsphÀre
Ein Hauptkritikpunkt ist der Eingriff in die PrivatsphĂ€re der BĂŒrger. Durch die Speicherung von Telekommunikationsdaten wird ein umfassendes Bild der Kommunikationsgewohnheiten, Bewegungen und Interessen einer Person erstellt. Dies wird als unverhĂ€ltnismĂ€Ăiger Eingriff in die PrivatsphĂ€re angesehen, insbesondere da die Vorratsdatenspeicherung aktuell ohne konkreten Anlass oder Verdacht erfolgt.
Verletzt die Vorratsdatenspeicherung die Grundrechte?
Vorratsdatenspeicherung und Grundrechte sind ein weiterer zentraler Kritikpunkt. Kritiker argumentieren, dass die Vorratsdatenspeicherung in Deutschland gegen das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung und das Telekommunikationsgeheimnis verstöĂt.
Potenzieller Missbrauch
Es gibt Bedenken, dass die gesammelten Daten fĂŒr andere Zwecke missbraucht werden könnten, sei es durch staatliche Stellen oder durch Dritte, die unrechtmĂ€Ăig Zugriff auf die Daten erhalten.
EffektivitÀt von Vorratsdatenspeicherung bei der Strafverfolgung
Ein weiterer Kritikpunkt ist die Frage der EffektivitĂ€t. Es gibt Zweifel daran, ob die Vorratsdatenspeicherung in der Strafverfolgung tatsĂ€chlich zu einer höheren AufklĂ€rungsrate von Straftaten fĂŒhrt. Einige Studien haben gezeigt, dass LĂ€nder ohne Vorratsdatenspeicherung Ă€hnliche oder sogar bessere AufklĂ€rungsraten haben.
Kosten und Aufwand
Die Implementierung und Aufrechterhaltung der Vorratsdatenspeicherung verursacht erhebliche Kosten, die letztlich von den Telekommunikationsanbietern und indirekt von den Verbrauchern getragen werden.
Was sagt das Bundesverfassungsgericht zur Vorratsdatenspeicherung?
Bereits am 20. September 2022 hatte das Bundesverfassungsgericht die Vorratsspeicherung in Deutschland als unzulĂ€ssig im Hinblick auf die Gesetzgebung der EU erklĂ€rt. Im Zuge dessen wurde vom Gericht entschieden, dass die anlasslose Vorratsspeicherung von Verkehrs- und Standortdaten von Telekommunikationsunternehmen gegen die Grundrechte auf PrivatsphĂ€re und auf Datenschutz verstöĂt.
Die Bundesregierung wollte in Bezug auf die Vorratsdatenspeicherung das Gesetz jedoch nicht Ă€ndern. Vertreten durch die Bundesnetzagentur zog sie in einer Revision gegen das Bundesverwaltungsgericht. Dies hat jetzt in höchster Instanz entschieden, dass das aktuell zur Vorratsdatenspeicherung in Deutschland bestimmte Gesetz âunvereinbarâ mit der Datenschutzrichtline der EU ist.
Hauptkritikpunkt war unter anderem, dass âeine anlasslose, flĂ€chendeckende und personell, zeitlich und geografisch undifferenzierte Vorratsdatenspeicherungâ einen klaren VerstoĂ gegenĂŒber der in der EU zur Vorratsdatenspeicherung erlassenen Verordnung darstellt. Dabei hat das Wort âanlasslosâ besonderes Gewicht. Die Richter erklĂ€rten zwar, dass die Vorratsdatenspeicherung zur Strafverfolgung oder der Verhinderung terroristischer AktivitĂ€ten prinzipiell zulĂ€ssig sei, allerdings sei dies nicht im TKG definiert. Die Vorratsdatenspeicherung-Definition des Bundesverfassungsgerichts lautet mit einfachen Worten beschrieben: Es dĂŒrfen nicht einfach beliebig Daten aller Nutzer gespeichert werden, solange es keine klare Definition dazu gibt, nach welchen objektiven Kriterien der Strafverfolgung die Datenspeicherung erfolgen soll. Und diese Definition fehlt bisher im Gesetz.
Welche Folgen hat das EuGH-Urteil fĂŒr die Vorratsdatenspeicherung in Deutschland?
Da schon in den vergangenen Jahren ersichtlich war, dass in puncto Vorratsdatenspeicherung Deutschland die EU-Richtlinien nicht erfĂŒllt, wurde das Gesetz von vielen Providern nicht so umgesetzt, wie es von der einstigen groĂen Koalition vorgesehen war. Das finale Urteil der höchsten Instanz des Bundesverfassungsgerichts in Bezug auf das EuGH-Urteil hat jetzt endgĂŒltig dargelegt, dass deutsche Telekommunikationsunternehmen nicht mehr zur anlasslosen Speicherung von Verkehrs- und Standortdaten verpflichtet sind. Verpflichtet ist jedoch die Bundesregierung. Sie muss ein Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung, das aktuell angepasst ist und den datenschutzrechtlichen Kriterien des Grundgesetzes und des Unionsrechts entspricht, auf den Weg bringen.
Welche Alternativen zur aktuellen Vorratsdatenspeicherung gibt es?
Zum aktuell gekippten Gesetz zur Vorratsspeicherung eine Alternative zu finden, auf die sich alle Parteien einigen können, dĂŒrfte nicht so einfach werden. Im Groben stehen verschiedene Konzepte zur Auswahl. Das sind zum Beispiel:
- Vorratsdatenspeicherung zur Strafverfolgung
Hierzu mĂŒssten im Gesetz konkrete Verdachtsmomente definiert, welche die Speicherung von Verkehrsdaten zur Verfolgung von schweren Straftaten und terroristischen Bedrohung ermöglichen. - Quick Freeze â Regelung
Das Quick Freeze Verfahren soll die Ermittlungsbehörden bei der AufklĂ€rung schwerer Straftaten unterstĂŒtzen, ohne die Grundrechte auf PrivatsphĂ€re und Datenschutz unverhĂ€ltnismĂ€Ăig zu beeintrĂ€chtigen. Im GroĂen und Ganzen steckt hinter dem Konzept die Speicherung einzelner Nutzer fĂŒr einen kurzen Zeitraum. Ausschlaggebend zur Anwendung ist ein konkreter Anfangsverdacht. Diese Regelung unterscheidet sich von der Vorratsdatenspeicherung, wie sie aktuell definiert ist, da es sich nur um die Daten weniger Nutzer handelt und nicht um die Daten aller Nutzer handelt. - Die Login-Falle
Die Login-Falle ist ein Verfahren, das es Strafverfolgungsbehörden ermöglichen soll, IP-Adressen von Nutzern zu ermitteln, die sich mit einem bestimmten Account angemeldet haben. Das Verfahren wurde von dem digitalpolitischen Thinktank D64 erstellt. Es gilt als gute Vorratsdatenspeicherung-Alternative. Allerdings kann es nur bei Diensten Anwendung finden, die zum Zugriff auf einen Account eine Anmeldung erfordern.
Die Diskussionen ĂŒber ein neues Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung in Deutschland werden innerhalb der Ampel-Regierung bereits seit letztem Herbst eifrig gefĂŒhrt. Konkrete PlĂ€ne fĂŒr eine neue Regelung gibt es derzeit noch nicht.