Google Little Signals: Open Source im Smart Home

Smartphones, Smart Watches, Sprachassistenten und intelligente Lautsprecher: Sie helfen uns, unseren Alltag zu strukturieren. Doch zu welchem Preis? Akustische Signale, schrille Töne, dröhnende Vibrationen. Wie aus dem Nichts tauchen sie auf, weil jemand mit uns kommunizieren will oder wir uns selbst an etwas erinnern wollen. Was wÀre, wenn uns anstatt des Schrillens eines Klingeltons ein sanfter Lufthauch umweht? Oder wenn die Visualisierung eines Schattens die Vibrationsfunktion ersetzt? Google ist dieser Frage in einer besonderen Studie nachgegangen.
Ältere Dame nutzt modernen Lautsprecher. Sie ist begeistert von der Technologie von Google Little Signals.
© baranq
Erstellt von Dietmar :ago

Google goes Ambient

Bereits im FrĂŒhjahr dieses Jahres hat der Technologie-Riese Google mit einer Design-Studie fĂŒr Aufsehen gesorgt. Im Zentrum der Studie stand eine Entwicklung im Bereich Internet der Dinge: Die Google Little Signals. Nicht zu verwechseln sind diese mit den Google Signals. Bei diesen handelt es sich um Sitzungsdaten von Apps und Webseiten, die Google im Zuge der Anzeigenpersonalisierung miteinander verknĂŒpft.

Die Little Signals hingegen sind Smart Home GerĂ€te aus dem Bereich des Ambient Computing. Das ist der Name fĂŒr eine Technologie, bei der sich technische GerĂ€te dem Handeln des Nutzers anpassen. Ein weiterer Aspekt von Ambient Computing ist, dass sich die Devices perfekt in die Umgebung und in den Alltag des Nutzers integrieren lassen. Google experimentiert schon lange in diesem Segment und stellte in der Studie 6 Prototypen vor, deren Zweck es ist, auf subtile Weise Nachrichten zu verschicken:

Google setzt auf Calm Technology: AIR

AIR basiert auf einer in Sachen IoT bereits erprobten Technologie: Ein sanfter Windstoß soll die Assoziation an eine Benachrichtigung oder Erinnerung wachrufen. Die Idee dahinter ist, dass das GerĂ€t Objekte durch den Luftstrom in Bewegung setzt. Zum Beispiel Pflanzen oder VorhĂ€nge. Der Prototyp sieht recht unscheinbar aus. Laut Google kann sich das Smart Home Device drehen und hin und her wackeln.

Ein Highlight im Ambient Computing: SHADOW

Auch wenn die unscheinbare Pilzform es nicht vermuten lĂ€sst: SHADOW ist ein ziemlich komplexes Smart Home GerĂ€t. Der kleine graue Pilz projiziert Schatten in verschiedenen GrĂ¶ĂŸen. Diese können statisch sein, aber auch langsam oder schnell wachsen oder schrumpfen. Der User kann damit die BenachrichtigungsintensitĂ€t steuern.

FĂŒr Fans klassischer Smart Home GerĂ€te: BUTTON

Das BUTTON hebt und senkt sich je nach Status einer Benachrichtigung. Google gibt an, dass es auch GerĂ€usche produzieren kann. Vom Aussehen her erinnert es ein bisschen an den Buzzer in einer Gameshow. Die Funktionsweise erinnert ein wenig an einen GĂ€stepager im Restaurant. In Sachen Ambient Computing dĂŒrfte das BUTTON den anderen Prototypen unterlegen sein.

Digital Life is MOVEMENT

Das Prinzip vom MOVEMENT ist simpel. Doch es bietet eine Reihe vielfĂ€ltiger Anwendungsmöglichkeiten. In einem schlanken Korpus stecken sieben mintfarbene StĂ€be. Diese lassen sich einzeln oder in Gruppen auf und ab bewegen. Durch das HerunterdrĂŒcken der einzelnen StĂ€be können verschiedene Aktionen ausgelöst werden.

Bringt sanfte Vibes ins Smart Home System: RHYTHM

RHYTHM erzeugt softe Töne und Vibrationen. IntensitÀt und Art der Töne können dem jeweiligen Status einer Benachrichtigung zugeordnet werden. Abschalten lÀsst sich das Smart Home GerÀt durch ein Signal mit der flachen Hand.

Google Little Signals: TAP

Das TAP ist das Device der Serie, das mit den klarsten Signalen arbeitet. An dem zylinderförmigen Korpus ist ein Plastikstab befestigt. Er wirkt wie ein Arm und kann auf und ab und auch seitlich bewegt werden. Dadurch kann das GerÀt auf OberflÀchen klopfen oder Objekte antippen. Art und LautstÀrke des SignalgerÀusches ist also abhÀngig davon, wie genau das TAP positioniert wird.

Die Idee hinter dem Ambient Computing

Google sieht in den neuen Smart Home GerĂ€ten keinen Ersatz fĂŒr Smartphone-Klingeltöne, Wecker oder Eieruhren. Es geht weniger darum, dringende Benachrichtigungen im Alltag zu ersetzen. Vielmehr sind die Google Little Signals als Alternative gedacht. Sie geben dem User die Freiheit, zu entscheiden: Wie stark soll die IntensitĂ€t eines Alarms sein? Reagiere ich oder nicht?

Grundlage fĂŒr die Entwicklung waren fĂŒr Google die EinschĂ€tzungen von Experten, dass stĂ€ndige Benachrichtigungstöne sich negativ auf die Psyche auswirken. Neben den optischen und akustischen Impulsen, denen wir in der Außenwelt permanent ausgesetzt sind, sorgen AlarmgerĂ€usche wie Wecker- oder Telefonklingeln in unserem eigenen Zuhause fĂŒr zusĂ€tzlichen Stress. Dieser kĂŒnstliche Stress soll minimiert werden, indem diese Smart Home GerĂ€te „subtile Wege, uns zu informieren finden“, beschreibt Google auf der Little Signals - Webseite. AngefĂŒhrt werden dabei Beispiele wie die sich bewegenden Zeiger von Uhren oder das Pfeifen eines Teekessels.

Im Fokus stehen bei den Google Little Signals also Zeichen, die in einem natĂŒrlichen kausalen Zusammenhang mit alltĂ€glichen AktivitĂ€ten stehen. Smart Home GerĂ€te wie das SHADOW können zum Beispiel den natĂŒrlichen Lauf der Sonne symbolisieren. Oder sie erinnern daran, die Fenster zu schließen, weil Schatten automatisch die Assoziation kĂŒhlerer Temperaturen in uns auslösen. Andere gute Beispiele sind auch alltĂ€gliche Rituale aus der eigenen Kindheit: Sonnenuntergang oder das LĂ€uten von Kirchenglocken bedeutete, dass es Zeit war, nach Hause zu gehen.

Google Little Signals: Das perfekte Smartphone Gadget?

Der Nutzen der Google Little Signals Devices ist nicht zuletzt abhÀngig davon, inwiefern sie sie auch unabhÀngig von anderen Smart Home GerÀten funktionieren. Diese bieten in der Regel schon einen von sich aus einen hohen Grad an automatisierten Prozessen an. Meistens haben sie bereits Signalfunktionen integriert oder benötigen gar keine.

Es stellt sich auch die Frage, inwieweit die Ambient Computing eine gute Alternative zu klassischen Signalen ist. Gerade weil wir in lauten und stressigen Zeiten leben, kann es passieren, dass wir eine wichtige Benachrichtigung ĂŒberhören, wenn sie nicht penetrant genug ist. Wer registriert im Alltag wirklich einen wehenden Farn oder einen wachsenden Schatten? Ganz abgesehen davon, dass Letzteres nicht im Dunkeln funktioniert. Die GerĂ€te BUTTON und RHYTHM hingegen weisen große Parallelen zum Smartphone auf. Immerhin lassen sich hier auch Klingeltöne und Vibrationen in verschiedenen IntensitĂ€ten einstellen.

Auf der anderen Seite lassen sich auch praktische Anwendungsgebiete finden: Im Beispielvideo von Google steht das TAPS zum Beispiel neben einem MedikamentenflÀschchen und klopft dagegen. So kann auf direktem Wege an die Einnahme eines bestimmten Medikaments erinnert werden. StÀrken zeigen die Google Signals Smart Home GerÀte bei alltÀglichen Prozessen im eigenen Haushalt: Habe ich die Blumen gegossen? Habe ich genug getrunken? Hier können subtile Zeichen tatsÀchlich angenehmer und effizienter sein.

Smart Home GerÀte als Open Source

Ob die Signals einmal tatsÀchlich als die besten Smart Home Gadgets betrachtet werden, bleibt abzuwarten. Google selbst ist in Bezug auf die neue Erfindung eher zögerlich. Zum Kauf stehen die Devices noch nicht. Es ist anzunehmen, dass sie weiterentwickelt oder in andere Smart Home Lösungen integriert werden sollen.

Stattdessen hat Google sich entschlossen, die Little Signals als Open Source zum Nachbau anzubieten. Das gilt sowohl fĂŒr die Software als auch fĂŒr die Hardware. So gibt es die Anleitungen zum Aufbau der Google Little Signals im PDF Download auf der Webseite. Auch 3D Drucker Vorlagen können dort kostenlos heruntergeladen werden. Es gibt sogar eine Alternative fĂŒr diejenigen, die sich keine 3D Drucker leisten können: Neben der Open Source Software bietet Google Anleitungen dafĂŒr an, wie man die Devices mit einfachen HaushaltsgerĂ€ten nachbauen kann. Vielleicht spekuliert der Technology-Konzern darauf, dass die Consumer noch bessere Anwendungsmöglichkeiten finden als die Entwickler.